Über die mögliche Annullierung eines TFP-Shooting-Vertrags.

Bei einem Pay-Shooting sowieso, aber auch bei einem TFP-Shooting entsteht ein Vertragsverhältnis zwischen Fotograf und Modell. Nun sind laut BGB bekanntlich auch mündliche Verträge vollumfängliche Verträge - besser ist es jedoch in jedem Falle für alle Seiten, Verträge auch schriftlich zu fixieren. Daher gibt es bei mir immer ein sog. Model Release, welches man landläufig auch profan als Shooting-Vertrag bezeichnen kann. Hierin werden beispielsweise die ganzen Belange um die Nutzungsrechte für beide Seiten abgeklärt und garantieren folglich die Wahrung der Interessen von Fotograf und Modell gleichermaßen. 

Zu einem ganz besonderen Aspekt hierzu möchte ich nachfolgend gern etwas genauer eingehen. Ganz konkret auf die Frage, ob man als Modell im Nachhinein einen solchen Vertrag annullieren kann. Ein Vertrag ist in der Regel eine gegenseitige Zusicherung, auf welche die Vertragsparteien vertrauen. Daher kann keine Seite schadlos solche Zusicherungen kündigen. In Ausnahmefällen kann dies dennoch einmal notwendig werden.

Kurz, knapp und auf den Punkt gebracht: Ja, man kann einen Shooting-Vertrag kündigen, aber die Hürden hierfür liegen hoch. Und vorweg: man sollte bemüht sein, das im Falle eines Falles miteinander einvernehmlich zu klären - Gerichte werden den Sachverhalt kaum besser lösen, sondern die Lösung lediglich teurer und langwieriger machen.

Möchte ein Modell einen Shooting-Vertrag annullieren, müssen im Grunde zwei Bedingungen gegeben sein:

  1. Es muss auf Seite des Modells eine unzumutbare Not nachweisbar sein (berufliche oder familiäre Gründe, Glauben, ...).
  2. Da bei einseitiger Aufkündigung eines Vertrags das bisher bestehende Interessengleichgewicht dauerhaft zerstört wird und der anderen Vertragspartei ein zuvor nicht zu erwartender Schaden entsteht, muss dies durch einen adäquaten Schadensausgleich (also einen Entschädigung) kompensiert werden.

zu 1.: Ich denke, dieser Punkt ist für jeden nachvollziehbar. Auch der umsichtigste Mensch kann heute nicht mit Gewissheit sagen, ob gemachte Bilder irgendwann für ihn eine wirklich elementare Not auslösen können.

zu 2.: Auch dieser Punkt sollte für jeden nachvollziehbar sein. Modell und Fotograf sind seinerzeit einen für beide Seiten ausgewogenen Vertrag eingegangen und haben hierbei - in Erwartung eines dauerhaften Eigennutzens - beide jeweils erheblich Zeit und Kosten aufgebracht. Ein einseitig dauerhaft wegfallender Nutzen durch Vertragskündigung ist dann natürlich ein Schaden, der reguliert werden muss.

Für die Taxierung eines solchen Schadens gibt es nur unsichere Richtwerte - es ist somit im Grunde eine reine Verhandlungssache. Aus meiner Sicht ist es hierbei eine sinnvolle Ausgangsposition, wenn man das ehemals gemachte TFP-Shooting nunmehr einem Pay-Shooting gleichsetzt. Der Fotograf sollte von der ursprünglichen Bepreisung dann jedoch die Gewinnspanne fairerweise abziehen.

In manchen Fällen kann der zu regulierende Schaden auch noch deutlich größer ausfallen. Hat der Fotograf beispielsweise Waren (Bücher, Kalender, ...) produzieren lassen, die er in Folge nicht mehr veräußern kann, so ist selbstverständlich auch der betreffende Umsatzausfall vom Modell zu übernehmen.

Die beste Möglichkeit ist zweifellos, wenn sich Modell und Fotograf unangespannt und empathisch über ihre individuellen Nöte und Befindlichkeiten austauschen und gemeinsam eine für beide Seiten einvernehmliche Lösung finden. Ist kein Hexenwerk - das kann jeder. ;) Ich selbst hatte in den letzten 15 Jahren erst einmal den Fall, dass mich ein Modell etwa zwei oder drei Jahre nach einem Shooting kontaktiert hat, um den Vertrag aus nachvollziehbaren Nöten wieder aufzulösen. Wir hatten innerhalb von fünf Minuten einen für alle Seiten guten Lösungsweg gefunden!

Achtung: Auch wenn man als Fotograf die Bilder nicht mehr weiterverbreitet sowie in Galerien auf der eigenen Website und den eigenen Social-Media-Accounts gewissenhaft löscht - nicht wenige Bilder werden dennoch dauerhaft und unaufhaltsam in der Öffentlichkeit weiterleben. Bilder, die jemals irgendwo publiziert wurden (Bücher, Magazine, Zines, Kataloge, WWW, ...) lassen sich unmöglich wieder einfangen! Das sollte man als Modell bereits vor einem Bildermachen wissen und sorgsam bedenken! Auch wird der Fotograf es unterlassen, Originale zu vernichten, da nur diese ihm die Möglichkeit geben, gegen Urheberrechtsverletzungen vorgehen zu können - was übrigens gleichzeitig auch effektiv die Persönlichkeitsrechte des Modells schützt.

Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an Erik Schlicksbier, dessen konstruktive Anmerkungen und Ergänzungen hier noch nachträglich eingearbeitet wurden.